26. September 2016

Ferien in Wien

von Gunda Breul

Ich hatte Ferien. Willkommen Österreich, machte Pause. Ich hatte nichts geplant und wollte einen ganzen Sommer lag in Wien bleiben, zum ersten Mal seit Jahren. Ich hatte immer gehört, wie ruhig und entspannt es hier im Sommer sei. Wie ungrantig die Stadt dann sei, wie gut ihr die Hitze stehe. Ich sollte schnell merken, dass es ganz und gar nicht entspannt werden würde.

Ich stieg in der Kettenbrückengasse in die U4. Aus einem der Zeitungsstäder am Eingang der von Otto Wagner entworfenen Station hatte ich mir eine Gratiszeitung genommen. Ich las im Stehen: 
Gen zeigt: Hitler mit Afrikanern verwandt. 
In Liverpool wurde John Lennons Toilette versteigert.
Ein Schwein hat 3377 Fans auf Twitter und eine Haushilfe 41 Nägel im Körper.
Ein Kätzchen kommt mit vier Ohren zur Welt - besser folgen tut die süße >>Luntik<< aus Waldiwostok aber auch nicht. Nordkorea zahlt Schulden mit Ginseng.

Ich war auf dem Weg in die >>Szthulbein Brötchenstube<< in der Schwertgasse im ersten Bezirk. Ich hatte mir vorgenommen, jeden Monat mein Stammcafé zu wechseln. Jetzt, im Juni 2012, war es das >>Sztuhlbein<<. Eine Durchsage:>>Bitte überlassen sie Ihren Sitzpatz bei Bedarf Frauen mit Kin...<< Das Band riss ab. Frauen mit Kinn sollte ich also meinen Platz überlassen. 
 
Ich las weiter in der Zeitung: 
Idee des Tages? Schatel-Desinger Erik Askin will durch eine neue Form von Zigarettenschachteln das Rauchen unattraktiver machen. Die neue Form mache das Transportieren der Schachteln unpraktischer.
Neben mir saß ein Volksschulkind. Es las auch das Umsonstblatt, war aber auf einer anderen Seite als ich: >>U10 Kids Station<<. Ich blätterte hin. Das war kein weiter Weg, denn die Zeitung hatte nur wenige Seiten. Man konnte sie zwischen zwei U-Bahnstationen auslesen, wenn man wollte. 
Die Kinderseite war graphisch albern gestaltet. Bunte Buchstaben mit Tiergesichtern. Das K von >>Kids<< war ein Känguru, das I ein Igel, das S ein Stachelschwein. Es gab eine Witzzeichnung: Zwei Hunde gehen durch die Wüste, und der eine Hund sagte: >>Wenn nicht bald ein Baum kommt, mache ich in die Hose.<< 
Das Mädchen war Brillenträgerin. Sie nahm die Brille ab, zog ein Brillenputztuch aus der Tasche und wischte sich damit über die Augen. Ich hatte noch nie einen Menschen gesehen, der sich die Augen putzt. War aber bei der Feinstaubbelastung in den Städten keine dumme Idee. Die >>Lesecke<< in der U10 Kids Station war sehr überschaubar. Sie bestand aus einem kurzen Text: Superknut. Ich las ihn zwischen Kettenbrückengasse und Karlsplatz. 
Eure Autorin Gunda Breul.

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