11. Juli 2018

Irgendwo in Buxtehude

von Constanze
1969 wurde ich in Buxtehude geboren. 1975 wurde ich eingeschult, 1988 machte ich dort mein Abitur. Im Anschluss absolvierte ich eine Lehre als Chemielaborantin und studierte drei Semester in Bremerhaven Lebensmitteltechnologie. 1992 kehrte ich gezwungenermaßen nach Buxtehude in mein Elternhaus zurück. Ich musste mein Studium abbrechen, da die Krankheit Morbus Wilson ausbrach.
Es war nicht einfach für mich, da ich ein gradliniger Mensch bin. Es fing damit an, dass meine Sprache nuschelig wurde und ich das Gefühl für meine eigene Lautstärke verlor. Zu dieser Zeit war der Kayser-Fleischer-Korneal-Ring um meine Iris geschlossen, das fiel jedoch dem behandelnden Augenarzt nicht auf. Und ich verlor meine Augen-Hand-Koordination. Das war 1992. Ich bekam schnell die Diagnose Morbus Wilson. Na ja, was heißt schnell – zwei Jahre hat es gedauert. Diese Zeit der Ungewissheit möchte ich nicht noch einmal erleben. 1996 war ich das erste Mal in Düsseldorf in der Uniklinik. Schon im Rollstuhl aber noch mit Sprache gesegnet; diese blieb aber nicht mehr lange. Und meine Handschrift war weg. Sie wurde zuerst zackig und undeutlich. Ich konnte nicht mehr ordentlich schreiben. Da war ich nun, gefühlt mehr tot als lebendig, gefangen in meinem Körper.  Unfähig mich mitzuteilen oder meinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen.
Dann begann der beschwerliche Weg zurück. Meine Eltern waren in der Zeit immer bei mir, gaben mir Kraft und Halt. Es war für sie nicht leicht. Freunde und Bekannte wandten sich von uns ab. Ich sah in dieser Zeit nur mich, hatte keine Kraft, mich noch um andere zu kümmern. In dieser Zeit bekam meine Freundin ihr erstes Kind. Sie war Christin und half mir durch ihre bloße Anwesenheit. Wir plauderten viel miteinander, das heißt sie redete und ich schrieb meine Antworten auf. Auf einen DIN A2 Zeichenblock und wenn es hoch kommt einen Satz pro Blatt. Ungefähr ein Jahr später entwickelte ich mit einer Krankengymnastin zusammen meine eigene Zeichensprache, die ich bis heute gebrauche. Diese half mir, mich auf dem 60. Geburtstag meines Onkels sogar mit einer Engländerin zu unterhalten. Dies brachte mir ein Lob von meiner Mami ein.

Ab der Jahrtausendwende stabilisierte ich mich mehr und mehr. Zu Anfang war selbst Fernsehen sehr schwer für mich. Ein Konzentrationsproblem nach nur einer halben Stunde, dann brauchte ich eine Pause. 2002 war ich wieder soweit, dass ich Geschichten schreiben konnte. Ich musste allerdings alles vorschreiben, am Computer schaffte ich nur eine halbe Stunde. Locker drauflos schreiben war nicht. 2006 lernte ich Peter, meinen Freund, kennen. Ich lerne immer noch dazu – ein letzter großer Erfolg war das selbstgemachte Ostermenü. Nichts tolles, aber für mich ein Erlebnis.
Irgendwo in Buxtehude, April 2010

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