von Lina Strothmann
"Bist du völlig wahnsinnig? Du siehst doch, wie zerbrechlich diese Brücke ist! Die ist doch mindestens zehn Meter hoch über dem steinigen Fluß! Das wäre der Tod!"
Der sechsjährige Tom starrte fassungslos auf seine etwa zwei jahre ältere Schwester. Sie standen auf einer wirklich sehr wackeligen und löchrigen Brücke, die über einen großen See zu einem Kartoffelfeld führte.
"Ach, Tom, du weißt doch genau, dass wir Kartoffeln für Mama und Papa ernten müssen und es keinen anderen Weg gibt. Weißt Du was? Wir haben einen Schutzengel, uns wird nichts passieren!"
"Na gut", antwortete Tom zögerlich. Er nahm seine Schwester an der Hand und sie gingen los. Plötzlich - krrrrrk, krrrrk - waren die
beiden Kinder eingestürzt, flogen in die Tiefe und klatschten aufs
Wasser. Zum Glück waren die beiden nicht auf Steine oder sonstwas aufgekommen und hatten überlebt. Und da sie gute Schwimmer waren, kamen sie problemlos und nur leicht geschockt am Ufer an.
"Bist du total bescheuert?! Warum hast du das getan?!". Kopfschüttelnd sah Mr. Schutzengel Mrs. Schutzengel an.
"Aber ich wollte dir doch nur zeigen, was für ein guter Schutzengel ich bin!". Völlig verzweifelt versuchte Mrs. Schutzengel vor ihrer großen Liebe cool zu bleiben. "Ich habe sie doch gerettet!" "Ja, aber erst, als du sie fast getötet hättest! Glaub' mir, die beiden übernehme ich ab jetzt!". Immer noch kopfschüttelnd flog Mr. Schutzengel seinen Kunden hinterher.
Traurig blieb Mrs. Schutzengel zurück. Das Einstürzen der Brücke, um sich cool aufzuspielen, war wohl doch nicht der Hit gewesen.
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