von Melanie Lux
Weil Chiara und ihre Eltern nicht mehr auf der Insel
Merilanka leben konnten, weil ihr Zuhause und ihre Umwelt zerstört wurde,
mussten sie in die nächste große Stadt nach Mexico City ziehen. Dort wohnte
Chiara erst mal eine ganze Weile. Sie wusste mit ihrem neuen Leben überhaupt
nichts anzufangen. Sie wollte wieder zurück in ihr altes Zuhause, zurück nach
Merilanka, zurück zur Pferderanch Costa de Alejandro und wieder am Strand
entlang reiten können. Aber das alte Zuhause gab es nicht mehr. Es wurde ja von
herzlosen, reichen Großgrundbesitzern und Konzernen zerstört.
Einen Monat nach Chiaras siebzehntem Geburtstag, erfuhr sie
durch einen Fernsehbericht, dass es in Los Angeles, USA, eine hochmoderne Computerstadt
gibt. Dort ist fast alles möglich und es gibt dort keine Umweltkatastrophen,
keine Krankheiten und keinen Klimawandel. Alles schien dort perfekt zu sein. In
dem Fernsehbericht, wurde auch berichtet, dass jeder junge Mensch, egal welche
Herkunft oder Vergangenheit er hat, die Möglichkeit hat, dort zu studieren oder
am Talentworkshop teilzunehmen. Aber man musste sich rechtzeitig bis September
dort angemeldet haben. Die Studienplätze waren leider nur begrenzt. Chiara
sagte ihren Eltern, dass sie unbedingt in Los Angeles studieren möchte und sich
dort eine andere Zukunft aufbauen möchte. Aber ihr Vater Diego hatte andere
Pläne mit Chiaras Zukunft. Diego war der Meinung, dass Chiara Los Angeles
vergessen soll und heiraten soll.
Er fand, dass Chiara durch die Heirat viel bessere
Zukunftsaussichten hatte. Diego hatte auch schon einen Bewerber für Chiara, der
um ihre Hand anhalten möchte: den reichen dreißigjährigen Arzt Dr. Steven McKenzy.
Aber Chiara wollte nicht heiraten. Schon gar nicht einen Mann, den sie nicht
kannte und lieben konnte. Chiara bat ihren Vater Diego darum, sie ihre eigenen
Wege gehen zu lassen. Sie weinte und bettelte und stritt mit ihm, aber Diego
blieb bei seiner Meinung und schickte Chiara auf ihr Zimmer wie ein unartiges
kleines Kind. Diego schloss sogar ihre Zimmertür ab.
Am nächsten Tag kam auch schon Steven, Chiaras Bewerber, der
um ihre Hand anhalten wollte. Diego holte Chiara aus ihrem Zimmer und brachte
sie ins Esszimmer. Dort stand eine große Schüssel bst, aber auch Kuchen auf dem
Tisch. Dann bat Diego Steven herein, damit er sich Chiara vorstellen kann.
Steven war der totale Schleimer. Steven hatte Diego viel Geld geboten, um
Chiara heiraten zu können. Er grinste Chiara schief an, lief um sie herum und
begutachtete sie wie eine Stute zum Verkauf. Schließlich willigt er ein, sie zu
heiraten, ohne vorher Chiara zu fragen. Chiara war entsetzt. Sie soll plötzlich
einen Mann heiraten, der schon dreißig Jahre alt ist, den sie noch nicht einmal
kannte und der immer wieder auf ihre Brust starrte. Außerdem stank er ganz
widerlich nach altem Tabak, Alkohol und Medizin.
Steven fragte Chiara, was mit ihr los sei und warum sie ihn
immer wieder verschreckt anstarrte. Diego meinte, dass Chiara einfach nur
schüchtern ist. Als Steven gegangen war, sagte Chiara zu ihrem Vater, dass sie
keinen Mann heiraten will, den sie überhaupt nicht kennt und der auch noch
älter ist als sie. Aber Diego blieb bei seiner Meinung, dass Chiara in guten
Händen wäre bei Steven als Ehefrau. Steven sei ja sehr reich und er könnte ihr
eine sichere und gute Zukunft bieten. Aber Chiara verstand ihren Vater nicht
mehr. Er, der sie jahrelang so liebevoll großgezogen hatte, war plötzlich so
grausam und wollte Chiara einfach so verhökern und verheiraten.
Aber Chiara konnte sich nicht dagegen wehren. Erbarmungslos
schlug das Schicksal zu. Chiara wurde wieder von ihrem Vater in ihrem Zimmer
eingesperrt. Chiara heulte und schlug verzweifelt und wütend gegen die Tür.
Am nächsten Tag wurde sie dann zwangsverheiratet mit dem Arzt
Steven McKenzy. Es ging alles sehr schnell. Sie musste ein Hochzeitskleid
tragen, dass viel zu lang war. Und sie fand den Ausschnitt viel zu weit offen.
Man konnte auf ihre Brust gucken. Sie hasste dieses widerliche Hochzeitskleid.
Als sie verheiratet war, fing die grausame Zeit erst an.
In der ersten Nacht vergewaltigte Steven Chiara. Und wenn
Chiara allein nur andere Männer anschaute, schlug er aus Eifersucht Chiara
brutal ins Gesicht. Damit kein anderer Mann an sie herankommen konnte, sperrte
er sie in seinem Haus ein. Er nannte sie sein Eigentum. Sie hatte zu kochen und
zu putzen und sollte mit ihm Kinder bekommen. Wenn sie nicht gehorchte, schlug
er sie oder setzte sie unter Drogen. Tagsüber war Steven McKenzy zum Glück
nicht da. Er war ja Chefarzt in einer Klinik.
Eines Tages versuchte Chiara auszubrechen. Sie durfte ja
immerhin ab und zu in dem großen Park spazieren gehen. Sie schaute nach
Fluchtmöglichkeiten. Aber drum herum waren sehr hohe Zäune und Hecken. Und am
Haupteingang der riesigen Villa war ein eisernes Tor. Chiara wollte zuerst
aufgeben, dachte daran zu sterben. Sie rüttelte am Tor und weinte bitterlich.
Plötzlich kam ein Mann mit langen Haaren und einem Bart ans
Tor. Er sah aus wie Jesus. Er fragte, was los ist und warum die so weinte. Chiara
sagte zu ihm: „Bitte helfen Sie mir. Ich werde hier eingesperrt.“ - „Was, er
sperrt sie hier ein? Ich wusste doch, dass mit diesem Arzt etwas nicht stimmt.
Ich habe schon oft gehört, dass er im Krankenhaus illegale Geschäfte macht. Du
hast Glück, dass ich zufällig gerade hier bin, weil ich Medikamente ausliefern
sollte. Ist er gerade nicht da? Ich habe schon mehrmals geklingelt.“ „Nein“,
antwortete Chiara.
„Ich will dir helfen. Weil ich in der Freizeit reite und
auch klettere habe ich ein langes Seil mit. Einige Seiten von diesem Tor sind
zum Glück nicht ganz so hoch. Das müsste gehen.“ Gesagt, getan. Er nahm das
Seil und schwang es über das Tor. Chiara nahm das Seil. Der Mann, der aussah
wir Jesus, zog sie mit aller Kraft hoch. Als sie auf der Kante des Tores war,
sagt er: „komm, lass dich fallen. Ich fang dich auf.“ Chiara ließ sich fallen
und landete in seinen Armen. Der Mann nahm das Seil und Chiara und beide liefen
zu seinem Geländewagen. Dann stiegen sie in sein Auto. Er startete den Motor
und fuhr schnell und brausend davon.
Chiara war nun endlich in Sicherheit. Der Mann, der sie
gerettet hatte, hieß Joshua. Sie verliebten sich ineinander. Joshua gab Chiara
endlich die Liebe, die sie wirklich brauchte. Liebe, Fürsorge und ganz viel
Zärtlichkeit. Chiara zog mit ihm zusammen. Er lebte auf einer Pferdranch.
Chiara konnte endlich wieder reiten. Sie ritt öfters mit Joshua aus. Joshua
lebt in Kalifornien, ganz in der Nähe von Los Angeles. Er arbeitete tagsüber in
der Computerstadt. Chiara ist endlich wirklich glücklich mit Joshua. Aber
heiraten wird Chiara nie wieder.