20. Juni 2023

Ich möchte auch

von Sarah Kamal 

Was ist Selbständigkeit? Die meisten Menschen verstehen darunter, problemlos mitten im Leben zu stehen. Eine Arbeit zu haben, einen festen Partner, im Haushalt topfit zu sein und vielleicht auch Kinder zu haben. Für uns Menschen mit Behinderung ist das nicht immer einfach. Entweder reicht die angebotene Hilfestellung nicht aus, um alle diese Ziele und Wünsche in die Tat umzusetzen oder es ist angeblich gar nicht umzusetzen.


Mein Name ist Sarah Kamal, ich bin 32 Jahre alt und leide am destablen 18 Minus Deletions-Syndrom, also einem Chromosomen-Fehler, den man nicht sehen kann. Zudem leide ich an einem Waschzwang, also einer psychischen Erkrankung. Und ja, auch diese Leiden sind Behinderung. Auch wenn sie scheinbar leicht und einfach therapierbar sind. Denn man muss nicht schwerbehindert sein, um ein Problem zu haben. Im Gegenteil: Ich habe das Gefühl, je schwerer die Behinderung und je höher der Grad der Behinderung, desto mehr Anspruch auf Hilfe hat man.


Ich mit meinen 20% aufgrund der Chromosomenstörung habe weder einen Behindertenausweis, den ich als Fahrkarte benutzen kann, noch sonst irgendwelche Vergünstigungen. Denn ich habe keine Merkzeichen und auch keinen Anspruch auf eine behindertengerechte Wohnung. Ich muss leider mit meiner Muskelschwäche ohne Fahrstuhl in den vierten Stock. Ich habe zwar einen Behindertenausweis aufgrund des Waschzwangs, aber das ist eigentlich nur ein Stück Plastik. Warum? Theoretisch würde er mir Kündigungsschutz und mehr Urlaub im Falle einer Anstellung gewähren. Tja, ich bin laut Agentur für Arbeit nicht mal belastbar genug für einen Acht-Stunden-Tag in einer Behinderten-Werkstatt. Naja, ich möchte ja vielleicht gar nicht in der Werkstatt arbeiten und als billige Arbeitskraft ausgenutzt werden. Ich würde ja eine Ausbildung machen, aber die meisten sind ja körperlich anstrengend. Könnte ich vielleicht machen, wenn ich Anspruch auf eine Arbeitsassistenz hätte.


Was kann ich noch berichten? Ich wohne noch bei meiner Mutter. Ich würde ja gerne ausziehen, laut ASP-Betreuung bin ich aber nicht selbständig genug, um ins betreute Wohnen zu ziehen. Warum muss ich denn gesund sein, um ins betreute Wohnen zu ziehen? Und wie soll ich es werden, wenn man mir keine Chance dazu gibt? 


Achja, Kinder darf ich auch nicht haben. Die würden ja aufgrund des Zwanges in eine Pflegefamilie kommen. Ist das gerecht? Wenn alles unmöglich ist, was macht das Leben dann lebenswert? Ist das Inklusion? 

Keine Kommentare: